verquer

Frauenmuseum Berlin e.V. zu Gast in der Kommunalen Galerie Berlin

Caroline Armand | Installation
Claudia von Funcke | Fotografie

Ausstellung
vom 5. März bis 8. April 2012

Eröffnung 
am Sonntag, 4. März 2012 | 12 Uhr

Begrüßung
Klaus-Dieter Gröhler, 
Bezirksstadtrat
Rachel Kohn/Julie August,
Frauenmuseum Berlin

Einführung
Karin Lelonek, 
Kunsthistorikerin

»Verquere« Ansichten, weltanschaulich gemeint, werden Künstlern oft zugeschrieben – womit ein nicht konformes Verhalten im gesellschaftlichen Zusammenhang genauso gemeint sein kann wie eine gewisse Weltfremdheit oder die vielgelobte künstlerische Freiheit. Der Titel dieser Ausstellung ist jedoch viel buchstäblicher zu verstehen: Beide Künstlerinnen arbeiten mit dem Thema Raum und Raumwahrnehmung, mit Blickwinkeln und Sichtachsen, die Irritation in die gewohnte Wahrnehmung bringen und ein Ungleichgewicht herstellen. Die Schlichtheit und Ausgewogenheit des Ausstellungsraums wird durch starke Diagonalen und »falsche« Perspektiven zum Kippen gebracht, das gewohnte Koordinatensystem von oben und unten, klein und groß, zentralperspektivischer Flucht funktioniert nicht mehr – fast körperlich erfährt der Betrachter, wie diese Manipulation des visuellen Sinnes sein Befinden beeinflusst. Das Zusammenspiel von dreidimensionaler Installation und zweidimensionaler Fotografie ( die sich mit Dreidimensionalität beschäftigt) tut ein Übriges.

Caroline Armand installiert für ihre Arbeit Ausdehnung-Verdichtung zwei gegensätzliche Körper im Raum. Einer scheint aus den Fenstern der Galerie in den Raum zu wachsen und erlaubt umgekehrt einen Blick vom Straßenraum aus in einen dunklen Schlund hinein. Er breitet sich nach außen aus, ist aber gleichzeitig fest im Boden der Galerie verankert, spreizt sich ein, ist kraftvoll und raumgreifend und steht im Gegensatz zu einem sehr viel kleineren Körper, der sich in eine Ecke des Ausstellungsraumes zu kauern scheint, verdichtet und kompakt, fast schüchtern. Dieser zweite definiert sich durch die drei Flächen, die die Ecke begrenzen. Beim Nähertreten verändert sich die Perspektive: auf der »Rückseite« sind beide Formen nicht geschlossen und laden zu näherer Betrachtung ein – der Eindruck, der dabei entsteht, ist subtiler als der erste, der sie als schlichtes Gegensatzpaar einordnete. Die Künstlerin arbeitet mit gebrauchten Verpackungen, wobei sie Eigenschaften und Macken des Materials berücksichtigt und sich auf ein Spiel mit dessen Gegebenheiten einlässt. Diese Arbeit ist die fünfte in einer Reihe von Auseinandersetzungen mit dem Thema Fenster, das als Brücke zwischen Innen und Außen genauso interessant ist wie als Rahmen für eine Bildwahrnehmung, die sich je nach eingenommenem Standpunkt immer wieder ändert.

Claudia von Funckes Fotoarbeiten aus der Serie MOVING STAIRS sind im Rolltreppenschacht eines leerstehenden Berliner Kaufhauses entstanden. Dieser funktioniert bei näherem Hinsehen wie ein Spiegelkabinett, das durch seine diagonalen Perspektiven über vier Stockwerke absurde Blickwinkel herstellt. Durch die Spiegelungen an den Seitenverkleidungen entsteht in der Detailaufnahme ein dissoziativer, abstrakter Raum, in dem das Auge die Kontrolle verliert. Logik und normale Erwartungshaltung, den Raum begreifen zu wollen, werden nicht bedient. Wege führen ins Nirgendwo, Rolltreppen bewegen keine Massen mehr rauf und runter, der Raum ist sinnlos geworden, seiner Funktion beraubt und im Spiegel in Fragmente zerlegt worden. Das physische Phänomen der Täuschung wird durch eine tote Fliege, ein Kabel oder einen Stahlwinkel in die Wirklichkeit geholt, die aus dreckigem Laminat, Glaswolle hinter halb demontierten Wandpaneelen und dem Stahl der Rolltreppe besteht. Wie eine laszive ältere Dame, die halbbekleidet darauf wartet, dass man sich in ihr verliert, versucht der Raum, entblößt von allen Nichtigkeiten und K onsumgütern, den Betrachter zu verführen. Gleichzeitig verursacht die Divergenz zwischen Wahrnehmung und Verstandesurteil Irritation und Verunsicherung.

www.frauenmuseumberlin.de

Rahmenprogramm
Sonntag, 25. März 2012, 12 Uhr
Künstlerinnengespräch