NAKED

Malerei

Regina Nieke, o.T. (Die Trauerweide), 2013

Ausstellung
vom 24. Mai bis 30. Juni 2013 

Der Mensch steht im Mittelpunkt. Nackt. Nicht eine individuelle Persönlichkeit, sondern das Menschsein an sich. Leben (Bewegung) und Tod (Stillstand), Sein und Zeit sind die großen Themen von Regina Nieke. Das Embryonale als individuelle und gesellschaftliche Zustandsbeschreibung sowie die Sehnsucht nach befreiender Auferstehung (Bill Viola), der aufrechte Gang im Hier und Jetzt.

Die Bilder von Regina Nieke sprechen vom Kampf des Menschen, seinem Leben auf dem Weg der Selbstverwirklichung einen Sinn zu geben, ohne Maske – nackt. Sein oder Nicht! Die Kreatur, ausgeliefert, nackt, ist Symbol für das Leiden an der Wirklichkeit – durchlässige Haut zeigt seelische Tiefe, Empfindungen über die Welt, Erfahrung von Verwundungen. Malerisch verdichtet stellt Regina Nieke die Vergewaltigung des individuellen Wesens dar, ruft die Sehnsucht nach leidenschaftlicher Verschmelzung, nach Liebe ans Licht – den Liebesakt als „kleiner Tod“ (Georges Bataille, Die Tränen des Eros). Differenzierte Farbgebungen sind atmosphärische Transmitter einer Message. Poetisch und ekstatisch artikuliert Regina Nieke in gewaltigen Farbströmen Überlebens-Triebe, Gefühle, instinktive Wahrnehmung und fordert evolutionär deren (Selbst-) Befriedigung. Sie spiegelt narzisstische Kränkungen und reklamiert eine schuldfreie Identität und das Erkennen von fremdbestimmten Zwängen.

Ihre Gestalten, im Zentrum des Bildes, haben keinen Ort. Geschlossene Farb-Räume ohne Ausweg stehen horizontal zweigeteilten Hintergründen gegenüber, geteilte Himmel, hell-dunkel. Übergänge Bewusstsein–Unbewusstsein, anima–animus, Geist–Seele formulieren Bedürfnisse nach Harmonie.

Der menschliche Korpus ist Ausdruck einer Idee, ob pastos dem Betrachter den Rücken kehrend, das fragile Rückgrat entblößt, oder transparent feenhaft schwebend, immateriell den Schrei nach Erfüllung ins Bild setzend, existentiell. Dabei vereint Regina Nieke malerisch die Errungenschaften des abstrakten Expressionismus, von Farbfeldmalerei und neo-expressionistischer Figuration, bezieht sich auch auf Goya und Bacon zugleich und behauptet darin radikal subjektiv und authentisch ihr ganz eigenes ästhetisches Ausdrucksvermögen. Ihre malerische Leistung visualisiert den Drang nach Unmittelbarkeit und – die nackte Wahrheit.

In der verführerisch farbprächtigen Schönheit ihrer Bilder liegen die ewigen Widersprüche, Konflikte und Wünsche des Menschen verborgen. Eine Entdeckungsreise ins eigene Innere lohnt sich!

Joachim Becker, April 2013 

Künstlergespräch am Mittwoch, 12. Juni 2013, 16 Uhr 
mit Regina Nieke und Joachim Becker