BERLIN UNTERWEGS

Hans Hochheim und Andreas Rost

Fotografie

Andreas Rost, Frau Nickel, Busfahrerin © Andreas Rost

Ausstellung
vom 9. Februar bis 30. März 2014 

Mit der Ausstellung BERLIN UNTERWEGS setzt die Kommunale Galerie Berlin die Ausstellungsreihe der Stadtfotografie fort. Nach den Ansichten auf die Stadtlandschaften der frühen 1960er Jahre von Janos Frecot, richtet sich der Blick der beiden Berliner Fotografen Andreas Rost und Hans Hochheim auf die Akteure und Passanten, die dazu beitragen, das stetige Räderwerk der Stadt am Laufen zu halten.

Andreas Rost - Fotografien aus den Serien 
„Haltestellen / VBB“, „Porträts / VBB“ und „Fahrerperspektiven / VBB“

In den schwarz-weiß Porträts, alle im Hochformat aufgenommen, stellt Andreas Rost die Menschen in den Vordergrund: authentisch und ohne aufwendige Inszenierung, fotografiert am Arbeitsplatz, in Arbeitskleidung. Rost geht direkt, aber sehr respektvoll auf sie zu. Er findet immer den Moment, wo der Alltag von sich selbst am meisten erzählt: von der Frau in der Fahrerkabine, von dem Wagenmeister bei der Inspektion und dem jungen Fahrer des Nostalgie-Straßenbahnwagens. Andreas Rost fotografiert seit vielen Jahren in Städten, so auch in Berlin, meistens auf der Straße. Er findet dabei Bilder von Menschen, die von großer Lebenswirklichkeit zeugen und erzählen. Es gelingt ihm, ihre Identität aufzuspüren und sie ganz unverstellt abzubilden.

In der Serie der „Haltestellen“ fotografiert Andreas Rost mit der Großformatkamera. Sein Motiv in diesem Fall: Die Verkehrsadern der großen Städte. Das Ergebnis sind extrem querformatige Stadtansichten (120 cm Breite), wie z.B. auf die Station Warschauer Straße oder Hellersdorf. In diesen Motiven werden die vielen Schichten von urbanen Strukturen sichtbar: Trassen, Brückenpfeiler, Straßenpflaster, spiegelnde Hausfassaden, Laternenpfosten - alles unter grauem Himmel. Die Menschen und die städtischen Systeme sind für Andreas Rost die zentralen Motive, um den Kosmos und die Identität der ganzen Stadt abzubilden.

Andreas Rost, geboren 1966 in Weimar, studierte nach einer Ausbildung als Schmied und einer Fotografenlehre in Leipzig von 1988 - 1993 an der renommierten Hochschule für Grafik und Buchkunst bei Prof. Arno Fischer und Evelyn Richter. Von 1993-1996 war er Assistent bei Arno Fischer, der seine Arbeit nachhaltig prägte. Er lebt und arbeitet als freischaffender Fotograf in Berlin. Darüber hinaus ist er als Kurator von Fotoausstellungen und als Dozent und Autor für das Goethe Institut und das Institut für Auslandsbeziehungen, IFA, tätig.  

Hans Hochheim, Belfast, 2012, Silber-Gelatine Baryt, © Hans Hochheim

Hans Hochheim – die Serie „Aussteiger“

Nicht nur in Berlin ist Hans Hochheim mit den „Öffentlichen“ unterwegs. Moskau, Prag, Istanbul, Paris und anderswo – die Gesichter der Straße sind überall ein Thema für ihn, genau genommen konzentriert er sich dabei auf die Alltagsgesichter der Passanten. Nach dem Zufallsprinzip hebt er in seinen Fotografien die Einzelnen aus der Menge hervor. Dabei bleibt jeder Mensch im Massengedränge anonym. Die Stadt und ihre unverkennbaren Wahrzeichen sind Beiwerk. Hans Hochheim hält die Kamera auf die Passanten, die tagtäglich unterwegs sind. Man spürt ihre Eile und Hast, die ihnen ins Gesicht geschrieben steht, die Gesten und Blicke lassen Ungeduld oder Abwesenheit beim Warten auf den Stationen hervortreten, unterwegs zwischen Privatsphäre und öffentlichem Leben.

Der Journalist Gerd Kröncke schreibt über diese Serie von Hans Hochheim: 
„Für einen Moment sind wir alle Aussteiger, der Fotograf zeigt es uns. Es fährt, in aller Regel, keiner zu seinem Vergnügen mit öffentlichen Verkehrsmitteln und wir sind es schon zufrieden, wenn wir pünktlich befördert werden. Dieser Moment, wenn wir aussteigen und auf den Bahnsteig getreten sind, ist ein neutraler Augenblick. Soeben diesen Moment ist die Zeit angehalten, man ist angekommen, aber noch nicht am Ziel. Auf dem Perron, wie die Väter noch sagten, sind für diesen Moment alle gleich: Die Scharen der Angestellten; Menschen, die glauben oder hoffen gebraucht zu werden; Eilige und Müßiggänger. Der Weg vom Zug zum Exit ist das Zwischenstadium des Ankommens. Hans Hochheim zeigt uns dies Sekunde und auf Anhieb ist nicht einmal bei genauen Hinsehen auszumachen, ob wir in Tokyo sind oder in Moskau oder in Paris. Berlin indes scheint uns vertrauter. Die Junge Frau am S-Bahnhof Friedrichstrasse hat der Fotograf einmal in seinem Leben gesehen. Keine Wahrscheinlichkeit spricht dafür, dass er sie je wiedertreffen wird. Der Betrachter mag sich eine Geschichte zu dem Gesicht ausdenken, die von großer Liebe oder kleiner Enttäuschung handeln könnte, und jede Geschichte wäre so wahr wie das Leben oder so unwahrscheinlich.

Die junge Frau hat alles noch vor sich. Die ältere Dame mit ihrem melancholischen Blumengebinde könnte aus jeder Untergrundstation dieser Welt ausgestiegen sein, wir wissen, dass der Fotograf seine Leica diskret in Porto auf Sie gerichtet hat. Sie wiederum hat die wichtigsten Stationen hinter sich und hat, jenseits der Lebensmitte, Gelassenheit gelernt. Es sind stille, unaufgeregte Bilder, die Hochheim von seinen Reisen mitgebracht hat. So guckt einer, der sich der Beliebigkeit der gepixelten Welt verweigert, der das Bild im Kopf hat, bevor das Licht auf den Film fällt. Es sind ehrliche Bilder, wir können uns auf sie verlassen. Sie brauchen schwarz und weiß und viele graus dazwischen. Wir erkennen uns wieder. Und wenn nicht in Tokyo, Hongkong oder London, dann immerhin in Berlin-Friedrichstrasse. Wir sehen sie jeden Tag, diese Bilder, nun wissen wir, wie sehenswert sie sind."

Hans Hochheim, geboren 1951, lebt und arbeitet als freischaffender Fotograf in Berlin. 
Die Fotoserien der Ausstellung entstanden 2010-2013 im Auftrag des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg (VBB).