BERLIN AM MEER

Bilder der Nachkriegszeit

Malerei | Grafik | Skulptur

Gerda Rotermund, De profundis clamavi ad te, Domine. 1947-52, Mappe mit 16 Radierungen, No. 19, Obdachlos geworden, Nachdruck, Berlin 1982

Austellung
vom 1. März bis 26. Juni 2016

Eröffnung 
am Sonntag, 1. März 2015 | 12 Uhr

Werke von Werner Heldt, Gerda Rotermund, Hans Laabs, Horst Strempel und anderen Künstlerinnen und Künstlern

Zur Eröffnung spricht
Dr. Eckhart Gillen, Kunsthistoriker und Kurator 

Die Ausstellung dokumentiert den Neubeginn von Kunst und Kultur nach dem Ende des 2. Weltkriegs im Stadtbezirk Charlottenburg-Wilmersdorf. Aus den eigenen Sammlungsbeständen der ehemaligen Kunstämter von Charlottenburg und Wilmersdorf werden ausgewählte Werke gezeigt. Hauptwerke der Ausstellung sind der 16-teilige Zyklus „De profundis clamavi ad te, Domine„ von Gerda Rotermund und das Gemälde Sonntagnachmittag von Werner Heldt. Die Neugründung der Hochschule für Bildende Kunst unter Karl Hofer in der Kaiserallee 57/58, der Künstlerbezirk Wilmersdorf und erste private Galerien der Nachkriegszeit werden vorgestellt. Die Kommunale Galerie zeigt diese Ausstellung im Rahmen von 70 Jahre Kriegsende 1945 – 2015.

Gerda Rotermund 
De profundis clamavi ad te, Domine. 1947-52
Mappe mit 16 Radierungen, No. 19, Nachdruck, Berlin 1982

Der Zyklus entstand in den Jahren 1945 bis 1952 und umfasst 16 Radierungen. Unmittelbar nach Kriegsende begann Gerda Rotermund an dem Zyklus zu arbeiten, Krieg, Flucht, Vertreibung und den Tod vor Augen. Ein Leidensweg, dem auch sie über Jahre ausgeliefert war. Ihr Atelier in der Güntzelstraße in Wilmersdorf war zerbombt. Sie selbst lebte am Rand des Existenzminimums. Erst die Auszeichnung mit dem Kunstpreis der Stadt Berlin im Jahr 1952 verbesserte die Lebenssituation der Malerin und Grafikerin Gerda Rotermund. Von 1948 bis 1973 lehrte sie an der Volkshochschule Wilmersdorf. Zu ihren frühen Förderinnen gehörte ab 1919 Käthe Kollwitz, mit der sie eine langjährige Freundschaft verband. Der Zyklus dokumentiert das verzweifelte Über(Leben) in den Ruinen der Stadt Berlin, geprägt von Angst, Hunger und Obdachlosigkeit. „Zunächst pausiere ich damit, es ist zu angreifend, ich bin oft halb krank davon, um so mehr, als jetzt die Themen noch grausiger und fast zum Alptraum werden.“ 
(Gerda Rotermund, 1947) 

Werner Heldt (1904 -1954) 
Sonntagnachmittag, 1952

Öl auf Leinwand

Für das Werk „Sonntagnachmittag“ von 1952 wählt Werner Heldt den Blick aus dem Atelierfenster auf die Berliner Häuser- und Stadtlandschaft. Ein Motiv, das seit den 1930er Jahren in seinen Gemälden und Zeichnungen auftaucht. Nach seiner Rückkehr aus der Gefangenschaft im Jahr 1946 wird die zerstörte Stadt Berlin zu seinem Hauptthema. Auf lokale Bezüge zum Stadtraum verzichtet er. Stattdessen konzentriert er sich auf eine flächig angelegte Bildarchitektur und verhaltene Farbigkeit. Zwei welke Blätter liegen auf der Fensterbank, dahinter ein leergefegter Straßenzug: Häuserfronten mit schwarzen Löchern, Brandmauern. Tote Kulissen der einst pulsierenden Stadt, unterbrochen von Trümmerschutt, der die Straßen und Hinterhöfe in Grün und Rosa umspült, stehen hoch aufragend vor leerem Hintergrund. Eine graue Wassermasse mit tanzenden blauen Wellenkronen drängt sich von links vor den Straßenzug in das Bild. „Unter dem Asphaltpflaster Berlins ist überall der Sand unserer Mark. Und es war früher einmal Meeresboden“, so Werner Heldt. „Berlin am Meer“ so betitelte Werner Heldt viele seiner Stadtansichten, wobei das Meer stellvertretend für die Trümmerfelder und Brachen der Stadt stand, die der 2. Weltkrieg hinterlassen hatte. Die Stadt in Trümmern baut Werner Heldt als ein abstraktes Stillleben wieder auf. „Ist das Berlin? Es ist Berlin und ist nicht Berlin. Kein Wahrzeichen, kein Name. Schöne, unsagbare Stadt, die gemeint ist. Diese Stadt, Jeder kennt sie, keiner ist sie gegangen. Jeder weiß: wenn er sie eines Tages gehen wird, wird sie wie altgewohnt sein.“ 

Erich Kästner
Auf Werner Heldt, o.D.

Werner Heldt, 1904 in Berlin geboren, studierte ab 1924 an der Berliner Akademie. 1930 ging er nach Paris, von 1933 bis 1935 lebte er auf Mallorca. 1936 kehrte er nach Berlin zurück. 1940 wurde er zum Kriegsdienst eingezogen. Bis 1946 in Gefangenschaft. Rückkehr nach Berlin. 1950 Kunstpreis der Stadt Berlin. 1954 in Sant‘Angelo auf Ischia gestorben.

Werner Heldt, Sonntagnachmittag, 1952, Foto: Friedhelm Hoffmann