AUSGEZEICHNET | GEFÖRDERT
Stipendiatinnen und Stipendiaten der Hans und Charlotte Krull Stiftung
2016 | 2017 | 2018

Ulu Braun
Antje Dorn
Sven Johne
Rajkamal Kahlon
Rona Kobel
Thomas &
Renée Rapedius

Ausstellung
12. Juli bis 16. September 2018

Eröffnung: Mittwoch, 11. Juli 2018, 18 Uhr

Begrüßung
Heike Schmitt-Schmelz | Bezirksstadträtin
Elke von der Lieth | Kommunale Galerie Berlin

Einführung
Katharina Lorenz | Kuratorin

In der Reihe „ausgezeichnet | gefördert“ präsentiert die Hans und Charlotte Krull Stiftung Berliner Künstlerinnen und Künstler, die sie mit Arbeitsstipendien gefördert hat. In ihrer vierten Auflage gastiert die Ausstellung in der Kommunalen Galerie Berlin und zeigt aktuelle Arbeiten von Ulu Braun, Antje Dorn, Sven Johne, Rajkamal Kahlon, Rona Kobel sowie Thomas & Renée Rapedius, die zwischen 2016 und 2018 ausgezeichnet wurden.

2010 in Berlin gegründet, verdankt die Stiftung ihre Existenz einer testamentarischen Verfügung der 2009 verstorbenen Charlit Krull. Ihre Eltern feierten als darstellende Künstler große Erfolge, Charlotte Krull als Sängerin und Tänzerin, Hans Krull als Schauspieler und später auch als Regisseur. In Andenken an Hans und Charlotte Krull ist es Aufgabe der Stiftung, die bildende Kunst und die Gartenbaukunst in Berlin und Brandenburg zu fördern. Dabei liegt ein Schwerpunkt auf der Vergabe von Arbeitsstipendien, die Künstlerinnen und Künstler darin unterstützen sollen, neuen Ideen nachzugehen, besondere Vorhaben umzusetzen und sich dadurch weiterzuentwickeln. Die zwölfmonatigen Arbeitsstipendien sind jeweils mit Mitteln von bis zu 12.000 Euro ausgestattet und werden zu Beginn jedes Jahres neu ausgeschrieben.

Zu der Ausstellung erscheint ein Begleitkatalog mit sechs Einzelheften im Schuber, der die einzelnen künstlerischen Positionen näher vorstellen soll.

Die Ausstellung wird kuratiert von Katharina Lorenz.

www.krull-stiftung.de

 

ULU BRAUN
Archaische Urzustände stellt Ulu Braun auf poetische Weise globalisierten und postmodernen Alltagssituationen gegenüber. Seit nunmehr 20 Jahren entwickelt er Videos im Spannungsfeld von
bildender Kunst und Autorenkino. Seine Arbeiten beinhalten medienreflexive und sozialkritische Elemente, die formal und stilistisch ebenso von einer Auseinandersetzung mit der Romantik wie von der Verwurzelung im Graffiti getragen werden.
In seiner multidisziplinären Arbeitsweise verknüpft der Filmkünstler verschiedene Techniken und Strategien zu komplexen Werken von hybridem Charakter. Ein stets wiederkehrendes Prinzip stellt dabei die Collage dar. Durch den organischen Transfer der Malerei in die Videokunst konnte Ulu
Braun die Videocollage maßgeblich definieren und stets weiterentwickeln, sodass er mittlerweile zu
den herausragenden Positionen des Genres zu zählen ist. Im Förderzeitraum entwickelte Ulu Braun
seine Arbeit im Bereich der Videocollage in Kombination mit raumgreifenden Objekten weiter.
Ulu Braun studierte zwischen 1996 und 2005 Malerei und Graphik in Wien sowie Film an der Filmuniversität Babelsberg. Als Daad-Stipendiat gastierte er am Time & Space Department der Akademie der bildenden Künste in Helsinki. Unter anderem ausgezeichnet mit dem Berlin Art Prize (2014) und dem Arte Shortfilm Award (2017) wurden seine Arbeiten auf zahlreichen internationalen Filmfestivals sowie beispielsweise im MARTa, Herford (2013), KW Berlin (2015), Hirshhorn Museum, Washington D.C. (2015) oder dem Pariser Centre Pompidou (2016) gezeigt.

www.ulubraun.com


ANTJE DORN
Antje Dorn befasst sich in ihren Gemälden, Objekten und Fotografien mit der Zeichenwelt modernen Lebens. In umfangreichen Serien hat sie sich beispielsweise der Ikonografie von Schokoriegeln und Fotoapparaten, Autos, Flaschen und Flüssigkeiten gewidmet. Mit einer bewusst ungelenken Darstellungsweise und dem subversiven Einsatz von Beschriftung zerlegt sie die Werbepräsentationen in ihre Bestandteile und entlarvt deren absurde Versprechen. In der Serie Motorgirls (2000/2001) konterkariert die Künstlerin das Marketing-Motiv, das neue Autos mit jungen Frauen kombiniert, mit großer Lust am Komischen, indem sie alternative Entwürfe von Weiblichkeit und Kraftfahrzeug variantenreich zur Anschauung bringt. In anderen Serien hat Antje Dorn phantastische Architekturkomplexe mit schwebenden Gebäudewürfeln, Pools und Plattformen entwickelt (Bauten, 2013/2014) sowie Landschaftsbilder als Kompositionen aus amorphen, monochromen Formen gemalt (Milkyway, 2011/2012). Im Förderzeitraum widmete sich die Künstlerin mit dem Projekt „Passage“ den Bewegungen und Begegnungen von Menschen im urbanen Alltag. Die Ausstellung zeigt aus der entstandenen Gemäldeserie einen Fries von 32 kleinformatigen Bildern, die das „Gehen“ als die wohl selbstverständlichste Bewegungsart des Menschen thematisieren.
Antje Dorn hat zwischen 1984 und 1989 an der Folkwang-Hochschule Essen und von 1989 bis 1994 an der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf studiert. Ihre Arbeiten waren u.a. in der Berlinischen Galerie (2013/14), im Museum Folkwang (2011) und dem Kupferstichkabinett – Staatliche Museen zu Berlin (2005) zu sehen. Sie hat u.a. Stipendien der Stiftung Kunstfonds, Bonn (2004 und 1997), der Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur, Berlin (2001), und des Künstlerhauses Schloss Balmoral, Bad Ems (1997) erhalten.

www.antjedorn.de


SVEN JOHNE
Sven Johnes Arbeiten finden ihren Ausgangspunkt in den politischen und sozialen Umbrüchen der
jüngsten deutschen und europäischen Geschichte. Über die bloße Bestandsaufnahme hinaus,
schreibt er seinen Fotografien, Bild-Text-Arbeiten und Videos den Wunsch nach Kommentar, Kritik
und Veränderung ein. In dem Bewusstsein, dass es in der medialen Gesellschaft des permanenten
Spektakels neuer Formen der Artikulation bedarf, als die einer distanzierten Perspektive, lässt er die Grenzen von Dokument und Fiktion auf ironische, wenn nicht sarkastische Weise verwischen.
So fokussiert etwa Johnes jüngste Videoarbeit "Lieber Wladimir Putin" (2017) das Streben nach
regionaler Abspaltung. Vor allem im Osten Deutschlands fühlen sich immer mehr Menschen unverstanden, abgehängt und nicht mehr adäquat von der Bundesregierung repräsentiert. Einer von ihnen richtet seine Sorgen und Wünsche an den Vertrauten seiner Wahl: Wladimir Putin. Der Monolog gleicht einer Beichte, die uns gleichermaßen auffordert, eigene politische Standpunkte zu hinterfragen.
Nachdem er bereits Journalismus und Germanistik studiert hatte, schloss Sven Johne ein Studium der Fotografie an der HGB Leipzig als Meisterschüler von Timm Raunert ab. Künstlerresidenzen, Austauschprogramme und zahlreiche Einzel- und Gruppenausstellungen führten ihn bereits um die gesamte Welt. Allein im Jahr 2016 wurde sein vielfach ausgezeichnetes Schaffen neben zahlreichen deutschen Galerien, Kunstvereinen und Museen wie der Münchner Pinakothek u.a. in Japan, Russland, Österreich, Luxemburg und Polen gezeigt.

www.svenjohne.de


RAJKAMAL KAHLON
Im Werk der U.S.-amerikanischen Künstlerin Rajkamal Kahlon wird der Betrachter zum stummen
Zeugen einer Autopsie, die das visuelle Vermächtnis vergangener Herrschaftssysteme untersucht. Als Träger ihrer gemalten und gezeichneten Forschungen unterzieht sie historische Archivalien und damit im übergeordneten Sinne auch die Geschichte einem regenerativen Transformationsprozess.
Entsprechend einer medizinischen Sektion avanciert dabei der Körper, als verletzliches Ziel ebenso
öffentlicher wie intimer Gewalt, zum zentralen Motiv der künstlerischen Auseinandersetzung.
Für die Installation "People of the Earth" (2017) befreit sie beispielsweise die in weltanschaulich
vorgeprägten Illustrationen und Fotodokumenten aus kolonialzeitlicher Literatur, Zeitungen oder Wissenschaftsberichten gezeigten Körper durch filigrane Übermalungen von ihrer oftmals diffamierendenöffentlichen Zurschaustellung und stößt darüber hinaus die Rehabilitation verzerrter und bisweilen gar ausradierter Geschichtsbilder an. So werden politische Diskurse künstlerisch wiederbelebt und, begleitet von Zorn, Leid und Rache, aber auch Humor, in eine Arena der Emotionen transferiert.
Rajkamal Kahlon studierte am California College of Art Malerei und absolvierte die Skowhegan School of Painting and Sculpture sowie das Whitney Independent Study Program in New York. Das sowohl in ihrer U.S.-amerikanischen- als auch in der deutschen Wahlheimat vielfach ausgezeichnete Werk der Künstlerin wurde bereits weltweit von Museen, Stiftungen und Biennalen zur Ausstellung gebracht, beispielsweise bei der Taipei Biennial, im Museum of Modern Art Warschau oder zuletzt im Welt Museum in Wien.

www.rajkamalkahlon.com


RONA KOBEL
Rona Kobel taucht die Wirklichkeit in unschuldiges Weiß. Erst auf den zweiten Blick offenbaren die Porzellanfiguren der Berliner Künstlerin jene Bilder des Schreckens, die einst durch die Nachrichten gingen und sich nun, isoliert aus der zweidimensionalen Informationsflut, in unbehaglich realer Körperlichkeit dem Betrachter aufdrängen. So können Kobels Bibi Aisha, James Foley oder Thích Quảng Đức anders als ihre fotografischen Vorlagen, nicht einfach weggeklickt, überblättert und somit schnell wieder verdrängt werden, sondern fordern zum Innehalten in einer direkten Auseinandersetzung auf – eine Divergenz, die auf produktionsästhetischer Ebene der materialbedingte Kontrast von flüchtiger Augenblicklichkeit der Momentaufnahme und langwieriger Prozesshaftigkeit der Porzellanherstellung reflektiert.
Auch für ihre fotografischen Serien findet Kobel zentrale Motive im medial geprägten Kollektivgedächtnis, zu dem Filme wie Eyes Wide Shut oder Brokeback Mountain zählen. Wurden für Porcelain Love (2015) Szenen, die ein scheinbares Ideal von Liebe und Sexualität prägten, in antiker Anmutung adaptiert und dementsprechend statuesque nachmodelliert, dekonstruiert Parallels (2015) jene Perfektion schließlich durch die Freilegung der einzelnen Bildbearbeitungsstufen und lässt erneut tief blicken – hinter die makellose Fassade der perfekt inszenierten Realität.
Ihr Studium an der Universität der Künste Berlin hat die Fotografin und Bildhauerin Rona Kobel 2015 als Meisterschülerin abgeschlossen. Zur Umsetzung ihrer aufwendigen Porzellan-Arbeiten erhielt sie eine Material- und Produktionsförderung der Königlichen Porzellanmanufaktur Berlin. Rona Kobel präsentierte ihre Werke bereits in zahlreichen Ausstellungen, u.a. in der Galerie Hübner & Hübner, Frankfurt (2016), im Elektrohaus, Hamburg (2015) und 68 projects, Berlin (2015).

www.ronakobel.de


THOMAS & RENÉE RAPEDIUS
Kennzeichen des Werks von Thomas & Renée Rapedius sind die formalen Ähnlichkeiten, die ihre konzentrierten Arbeiten und deren motivischen Bezüge auf Flora und Fauna, Geologie und Architektur, Körper und Dinge verbinden. Das Künstlerpaar entwirft ein dichtes Referenzgefüge zwischen ihren Zeichnungen, Fotografien und Objekten, das immer wieder neue Sichtweisen und Deutungen der jeweiligen Bildbestände ermöglicht. So lassen in vertikalen Bahnen gereihte Schwarzweiß-Drucke herabstürzendes Wasser assoziieren, wenn sie mit Papierobjekten konfrontiert werden, die an Blüten oder Vasen erinnern. In anderen Kontexten hingegen verweisen die Drucke auf Skylines oder Kalligraphie. Mit dieser Arbeitsweise gelingt es dem Künstlerpaar, das dialektische Verhältnis zwischen Kultur und Natur zu thematisieren, über Archetypen zu reflektieren und Wahrnehmungsprozesse zwischen empirischen Erkennen und kulturellem Erinnern zu entwerfen.
Nach Abschluss ihres Studiums an der Hochschule für bildende Künste Hamburg im Jahr 2004 zeigten Thomas & Renée Rapedius ihre Arbeiten in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen im In- und Ausland, wie dem Marta Herford, dem S.M.A.K. Gent, dem Daejeon Museum of Art, dem Kunstverein Braunschweig, dem Museum Morsbroich und dem Gerhard-Marcks-Haus Bremen. Stipendien führten sie nach Burkina Faso, Japan, Indien und Argentinien.

www.rapedius.net

Rona Kobel, „Explored the Beast“, 2017
Porzellan, Foto: Trevor Good
Rajkamal Kahlon, Untitled Portrait (Bandaged Red Blossom), Serie "Do you know our Names?", 2017
Gouache und Acryltinte auf digitalem Archivprint,
100 x 70 cm
Antje Dorn, "Passage" (Detail), 2016
Öl auf Leinwand, je 60 x 50 cm, Fries aus 32 Gemälden, Foto: Petra Wittmar
Renée und Thomas Rapedius, Z. 045, 2016
Papier, je 215 x 145 cm
Sven Johne, "47 Faults between Calais and Idomeni", 2017
Archival Pigment Ink auf Alu-Dibond, gerahmt, 48-teilig, je 50 x 75 cm, gesamt: 200 x 900 cm, Courtesy KLEMM's, Berlin

Abb. oben: Ulu Braun, "Burkina Brandenburg Komplex" (Screenshot), 2018, Video