Der Wald wird Chor

eine runde Baumscheibe mit einem Schallplattenarm
georgia Krawiec, Waldküre I, 2022, Klangobjekt

Ausstellung vom 8. Juni bis 20. August 2023

Künstler*innen:

Christoph Both-Asmus, Andreas Greiner, Joanna Hoffmann, georgia Krawiec, Andrei Loginov, Krzysztof Maniak, Anne Peschken und Marek Pisarsky (Urban Art), Karen Scheper

Heutzutage sind wir an den Netzwerken interessiert, in denen wir mit anderen nicht-menschlichen Akteur*innen verwoben sind. Der Wald kann als ein solches Netzwerk betrachtet werden, in dem das Pflanzliche und das Tierische auf das Menschliche trifft. Außerdem ist der Wald ein multisensorisches Phänomen: ein Geflecht aus Anblicken, Geräuschen, Gerüchen, Geschmäckern und taktilen Empfindungen. Schon Johann Gottfried Herder war sich dessen bewusst und verglich in seinem Gedicht „Der Wald und der Wanderer“[i] den Wald mit einem Chor. Die Arbeiten mehrerer Künstler*innen, die in ihren Werken den Wald als Chor betrachten, bilden im Raum der Kommunalen Galerie Berlin eine Art symbiotisches Netzwerk. Das ist ein Wald mitten in der Stadt, wo Umweltaktivisten, Bäume und Tiere zusammenkommen. Herder gilt auch als Philosoph, der als einer der ersten den Tastsinn und die Körperlichkeit der Erfahrung wertschätzte. Im Fall der Ausstellung Der Wald wird Chor geht es mithin darum, sich sinnlich und körperlich in den Wald hineinzufühlen.

Kuratiert von Marta Smolińska


[i] Johann Gottfried Herder, Der Wald und der Wanderer

 Der Wald.

 

Komm, o komm in meine Schatten,

In der Ruhe Aufenthalt,

Wanderer der heißen Straße,

Wo Dein Herz unruhig wallt.

 

Meine frischen Zweige wehen

Lebenskraft dem Matten zu,

Und mein Athem duftet Balsam,

Neuen Muth und süße Ruh.

 

Schöner geht die Sonne nieder

Hinter meiner grünen Nacht;

Schöner kommt der Morgen wieder,

Wenn der Vögel Chor erwacht.

 

Schöner blinkt in mir die Quelle

Und der einsam stille See,

Wo die treue Turteltaube

Girret Deines Herzens Weh.

 

Der Wanderer.

 

Rauschen Geister in den Lüften?

Spricht die Nymphe mir im Quell?

Oder steigen Götter nieder?

Denn mein Blick wird rein und hell.

 

Mit der Fichte Gipfel steiget

Meine Seele himmelwärts;

Mit der Birke Zweigen neiget

Sanft zur Ruhe sich mein Herz.

 

Und die grüne Fußtapete

Wiegt mich ein auf seidnem Moos;

Neben dieser goldnen Blume

Bin ich selig, und wie groß!
 

Horch! aus jener alten Eiche

Tönt ein Bardenton hervor,

Und der Fichten Gipfel sausen

Himmlischer; der Wald wird Chor:

 

»Wir, des Paradieses Geister,

In der Ruhe Aufenthalt,

Segnen Dich. Genieße fröhlich

Unsern heil'gen stillen Wald!«

Quelle: Johann Gottfried Herder: Werke. Erster Theil. Gedichte, Berlin 1879, S. 152-153.

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