Hotel Bogota

André Kirchner
Karen Stuke

Fotodokumentation | Camera Obscura Langzeitbelichtungen

Karen Stuke, Zimmer 428, 2012, Pigment Print 60 x 90 cm / 30 x 45 cm, Ed. 8+II

Ausstellung 
vom 30. Oktober 2014 bis 15. Februar 2015 

Als Mietshaus wurde es 1911/12 für einen Bankier gebaut. In der Weimarer Republik war es Society-Treff und Stätte jüdischen Kulturlebens. 1934 richtete die Fotografin Yva, bekannt für avantgardistische Modeaufnahmen, dort Atelier und Wohnung ein. Bei ihr lernte damals der 16-jährige Helmut Newton. Yva wurde mit ihrem Ehemann im Vernichtungslager Majdanek ermordet, Newton gelang die Emigration. 1942 wurde das Haus Sitz der Reichskulturkammer, nach 1945 der Kammer der Kunstschaffenden. In der Schlüterstraße 45 tagte die Entnazifizierungskommission - Künstler wie Heinz Rühmann oder Wilhelm Furtwängler mussten erklären, wie sie mit den Nazis kooperiert hatten. 1952 zog der Deutsche Gewerkschaftsbund ein. 1964 wurden Etagenpensionen eingerichtet. Ein Betreiber war Heinz Rewald, ein jüdischer Emigrant, der sein Hotel nach seinem kolumbianischen Zufluchtsort nannte: Bogota. Den Namen behielt Familie Rissmann bei, als sie 1976 das Haus mietete und es in Gänze zu einem Hotel machte. 
Die Galerie „Photoplatz“ im Hotel Bogota entwickelte sich zu einem außergewöhnlicher Ort für internationale Fotografie, die mit der Schließung des Hotels im November 2013 ebenfalls zur Legende wurde.

André Kirchner 
Fotodokumentation 
Das Hotel Bogota war ein vielzimmriger, bisweilen unheimlicher Traum mit fließend Wasser, dunklen Fluren und dämmrigen Salons, den Reisende aus aller Welt in Berlin träumten. Ein großes altes Mietshaus, 1911 im Neuen Westen Berlins erbaut, um die Ecke vom Kurfürstendamm, mit strahlend weißer Fassade und einem leuchtorangen Baldachin vor der halben Treppe zum Foyer, das seine Gäste mit holzgetäfelten Kabinetten und lichten Speisesälen empfing. Im tiefen Innern vorwiegend dunkel mit endlosen, verwinkelten Gängen, knarrenden Dielen unter wildgemusterten Teppichböden, engen Wendeltreppenhäusern (den ehemaligen Dienstbotenaufgängen) als Fluchtweg, und spärlich erhellten Salons auf allen Etagen, die sich wie Vorzimmer in weitere Flure und in Gästezimmer öffneten. Das Haupttreppenhaus stieg am Lichthof um den Aufzugskäfig herum empor und führte direkt zum zweigeschossigen Dachatelier der Modefotografin Yva, die hier mit ihrem Lehrling Helmut Neustädter (dem späteren Helmut Newton) eine elegante Welt erträumte, die sich gerade anschickte unterzugehen. Ein Traum, den nicht alle träumen wollten. Gewiß nicht der Reichskulturdiktator Hans Hinkel, der in dem 1942 enteigneten Haus, demselben Jahr, in dem die Jüdin Yva, geborene Else Ernestine Neulaender, ermordet wurde, auf der Kloschüssel „Super 1942“ seinen dumpfen Träumen bis zum Kriegsende nachhing. Sein Büro in der zweiten Etage diente später dem Hotel als Bibliothek und Aufenthaltsraum mit Gemeinschaftsfernseher; in der Toilette auf dem Flur gegenüber befand sich bis gestern besagte Kloschüssel; problemlos entnazifiziert von den Briten, die eine Etage darüber Künstler des Dritten Reichs zum Vorsingen einbestellten. Ein Traum von einem Hotel, das nach langer Geschichte 1964 entstanden war, den auch der neue Hausbesitzer und Investor – bei sinkenden Besucherzahlen – nicht teilen wollte. Im Dezember 2013 erzwang er die Räumung des Hauses – trotz vieler Solidaritätsaktionen zum Erhalt des Hotels. In diesem Jahr 2014, das das fünfzigste des Hotels hätte werden sollen, wird das Haus ausgeschlachtet, tiefer gelegt und mit Büros und Läden ausgestopft – für die schöne neue Welt der „City West“. Ein typisches Schicksal am Kurfürstendamm wie es schon Siegfried Kracauer 1932 in „Straße ohne Erinnerung“ beschrieben hat: „Was einmal war, ist auf Nimmerwiedersehn dahin, und was sich gerade behauptet, beschlagnahmt das Heute hundertprozentig“. 

„Industriegebiet der Intelligenz“, Hrsg. E.Wichner und H.Wiesner, Literaturhaus Berlin 1990 
„Yva“, Hrsg. Joachim Rissmann, Edition A B Fischer, Berlin 2009 
„Helmut Newton Autobiographie“, Helmut Newton, C. Bertelsmann, München 2002

Karen Stuke 
Camera Obscura Langzeitbelichtungen 
Die Fotografin Karen Stuke hat von November 2012 bis Dezember 2013 im Hotel Bogota in verschiedenen Zimmern übernachtet. Sie hat in circa 42 Räumen übernachtet und dort jeweils Bilder mit der Camera Obscura gefertigt. Die Belichtung entspricht der Dauer der jeweiligen Übernachtung beziehungsweise ihres Schlafes. Entstanden ist eine Reihe von erzählerischen Ansichten, die das Geheimnis dieses legendären Ortes in sich bergen. 2013 erhielt sie im Rahmen des Kunstpreises Tempelhof-Schöneberg für diese Serie den Sonderpreis der Jury.