Mikrokosmos Westberlin

Malerei, Grafik und Fotografie aus dem Bestand der Artothek zum Thema Berlin

Ausstellung vom 19. März bis 2. Juli 2023

Eröffnung am Sonntag, 19. März 2023, 12 Uhr

Begrüßung

Heike Schmitt-Schmelz, Bezirksstadträtin
Elke von der Lieth, Kommunale Galerie Berlin

Einführung

Dr. Eckhart Gillen, Kurator der Ausstellung

Die Auswahl von Bildwerken aus den Beständen der Artothek vermittelt ein facettenreiches Bild von Westberlin, jenem fragilen Gebilde, das als Insel mitten im „Roten Meer“ der „Sowjetzone“ als Schaufenster der freien Welt eine Art Exklave der Bundesrepublik bildete.

Berlin, vor dem Zweiten Weltkrieg der Motor für die Industrialisierung, Urbanisierung und Modernisierung Deutschlands, führte nach 1945 als halbierte Frontstadt des Kalten Krieges nur noch eine Schattenexistenz. Hier waren im Gegensatz zu Westdeutschland die Narben und Spuren einer gescheiterten Geschichte noch lange nicht zu übersehen.

Die Ausstellung gliedert sich in einen Prolog und fünf Stationen. Sie schlägt einen Bogen von der Nachkriegszeit mit ihren Ruinenbildern und der Vision eines Berlin am Meer bis zum Fall der Mauer und dem Ende des kalten Krieges. Sie zeigt wie die Künstler*innen hier die Sackgasse der Abstraktion hinter sich gelassen haben und neue Formen des Realismus in der Selbsthilfegalerie Großgörschen 35 entstanden. Neben den Maler*innen der Berliner Kieze entdecken die Stadtfotograf*innen die Poesie der Straßen und Plätze sowie verborgene Innenwelten. Das Panorama der Halbstadt aus über 50 Jahren erinnert an magische Orte und Stadtbrachen, die verschwunden sind, und zeigt die Dynamik des Wandels.

Dr. Eckhart Gillen, Kurator der Ausstellung

Künstler*innen

Gerhard Andrées, Jérémie Aubouin, Hannah Becher, Norbert Behrend, Christa Biederbick, Hans-Jürgen Diehl, Eberhard Franke, János Frecot, Efraim Habermann, Mila Hacke, Manfred Hamm, Gisa Hausmann, Werner Heldt, K. H. Hödicke, André Kirchner, Matthias Koeppel, Rudolf Kügler, Sigurd Kuschnerus, Evelyn Kuwertz, Karl-Ludwig Lange, Anna Lehmann-Brauns, Susanne Ludwig , Hans W. Mende, Loredana Nemes, Michael Otto, Wolfgang Petrick, Paul Pfarr , Barbara Quandt, Friederike von Rauch, Klaus Roenspieß, Gerda Rotermund, Karsten Schalicke, Gottfried Schenk, Lothar Seruset, Monika Sieveking, Silvia Sinha, Hans Stein, Horst Strempel, Reimar Venske, Wolf Vostell, Gottfried Weinmann, Matthias Wild, Kurt Wolff, Karlheinz Ziegler, Heinrich Zille
 

Janos Frecots Farbfotografie von 1965 zeigt eine Brache im Bezirk Berlin-Kreuzberg, zwischen Gleisdreieck und Mendelssohn-Bartholdy-Park. Sein künstlerischer Blick fokussiert sich auf Brandwände und Mauern. Insbesondere zu Gebäuden, deren Abriss in der Nachkriegszeit drohte, zog es ihn mit seiner Kamera. In der vorliegenden Fotografie vereinen sich unterschiedliche Farben und Mauerstrukturen. Durch die Baulücken entsteht eine Aneinanderreihung von Fensterformen und Baustilen, in der man Symmetrie vergeblich sucht.
Janos Frecot

Flottwellstraße, 1965, Farbfotografie (Fine-Art-Print),

© Janos Frecot
Gespenstisch zeichnet sich die dunkle Silhouette eines Gebäudefragmentes vor einem dicht bewölkten Himmel ab. Es ist ein Teil des alten Anhalter Bahnhofs, den Efraim Habermann hier fotografiert. Der 1841 errichtete Bahnhof wurde im zweiten Weltkrieg so stark zerstört, dass nur der Abriss blieb. Ein Fragment des Portikus steht jedoch bis heute an seinem alten Standort.
Efraim Habermann

Anhalter Bahnhof, 2010,
Schwarzweißfotografie

© Efraim Habermann
Die Lithografie von 1949 zeigt eine schwarz-weiße Berliner Stadtlandschaft von Werner Heldt.
Werner Heldt

Ohne Titel (Berliner Stadtlandschaft), 1949, Lithografie

© Werner Heldt/ VG Bild-Kunst, 2022/23
Das morbide verzerrte Gesicht von Wolfgang Petricks 1968 entstandenen „Stadtbewohner“ ist dementsprechend in der Hälfte geteilt. Beide Hälften ergeben ein absurdes Ganzes, das auf der einen Seite von einer Injektion in den Schädel, auf der anderen Seite von einem erzwungenen Grinsen geplagt ist.
Wolfgang Petrick

Stadtbewohner
(Mappenwerk: 10 Lithografien von Diehl und Petrick), 1968

© Wolfgang Petrick
Die 2021 entstandene Fotografie von Gottfried Schenk dokumentiert die Bemalung der East-Side-Gallery in Berlin-Friedrichshain. Auf den erhaltenden Teilstücken der Berliner Mauer kommentieren Berliner Künstler*innen den Mauerfall und die politische Wende. Das aufgenommene Grafitti inszeniert Karl Marx als Flaschensammler, der auf der Suche nach weiteren Pfandflaschen in einen öffentlichen Mülleimer greift. Es stammt von der Berliner Künstlerin Marycula, die Karl Marx' Kritik an der kapitalistischen Gesellschaft aufgreift.
Gottfried Schenk

East Side Gallery, Westseite mit Karl-Marx-Graffito von MARYCULA 2017, Farbfotografie (Inkjetprint), 2021

© Gottfried Schenk
„Der Weg ins Leben“ zeigt vier nackte Männer vor einem brachliegenden Gelände in der Nähe der St.-Thomas-Kirche im Berliner Ortsteil Kreuzberg, welche er in akribischer architektonischer Präzision wiedergibt. Das Gebäude, vor dem die Männer posieren, ist heute als Georg von Rauch-Haus bekannt. Das ehemalige Schwesternwohnheim des Bethanien-Krankenhauses wurde 1971 erstmals besetzt. Mittlerweile ist es ein Jugend- und Kulturzentrum. In den 1970er und 1980er Jahren gab es in diesem städtebaulich vernachlässigten Bereich viele Hausbesetzungen, da der ehemals zentrale Berliner Ortsteil in Folge des Mauerbaus an Attraktivität verlor.
Karlheinz Ziegler

Der Weg ins Leben, 1975, Radierung

© Karlheinz Ziegler/ VG Bild-Kunst, 2022/23
Karl Horst Hödickes Architekturfotografien der 1970er Jahre zeigen die Sicht auf den Himmel aus den Hinter- und Innenhöfen. Aus der Tiefe eines langgezogenen Innenhofs blickt man in Richtung Himmel. Mit einem dicken schwarzen Pinselstrich seziert Hödicke die Leerstelle und verleiht ihr damit physische Form aus. Bedrohlich-irritierend tritt das generierte Konstrukt in den Vordergrund.
Karl Horst Hödicke

Ohne Titel (Der Himmel über Schöneberg), 2014 (Vorlage von 1972), Lithografie (Büttenpapier)

© Karl Horst Hödicke
Strempels großformatiger Siebdruck knüpft thematisch an das 1962/63 entstandene Mappenwerk „Die Frau an der Mauer“ an, das sich mit der Spaltung der Gesellschaft, der Trennung von Familien und der daraus resultierenden psychischen Belastungen infolge der deutschen Teilung auseinandersetzt. In der vorliegenden Arbeit setzt er eine starke Spiegelsymbolik ein, indem er eine Figurengruppe aus Mutter und Kind verdoppelt. Während die Gruppe im Vordergrund in der Rückenansicht zu sehen ist und sehnsuchtsvoll in die Ferne blickt, blickt aus der Ferne ihr Gegenstück auf sie zurück. Mehr als den Schmerz über die sie trennende Kluft auszudrücken, steht diese Konstellation für die Gemeinsamkeiten zwischen Ost und West sowie für die wechselseitigen Projektionen. Mit der Darstellung von Kindern betont Strempel darüber hinaus die Zukunftsperspektive dieses zerrütteten Verhältnisses. Bemerkenswert ist, dass er auf die Darstellung einer räumlichen Barriere zwischen den beiden Figurengruppen verzichtet.
Horst Strempel

Frauen an der Mauer, 1962/63, Siebdruck

© Horst Strempel/ VG Bild-Kunst, 2022/23
Ausstellungsansicht von Mikrokosmos Westberlin
© Piotr Bialoglowicz
Ausstellungsansicht der Eröffnungsveranstaltung von Mikrokosmos Westberlin mit sich unterhaltenden Besuchern
© Piotr Bialoglowicz
Zwei Ausstellungsbesucher betrachten und zeigen auf eine Fotografie der Wiederaufbauarbeiten des Gropius Bau von Karl-Ludwig Lange
© Piotr Bialoglowicz
Die verschiedenen Wandfarben der Ausstellung grenzen die unterschiedlichen Themenkomplexe der Ausstellung ab
© Piotr Bialoglowicz
Ansicht des Themenkomplexes "Fall der Mauer" (links), sowie "Stadtpoeten" (rechts): Im Fokus des Bildes ist ein Gemälde des roten U-Bahnhof Fehrbelliner Platz von Hans Stein
© Piotr Bialoglowicz
Die Leiterin der Kommunalen Galerie steht an einem Pult und begrüßt die Ausstellungsbesucher in den Ausstellungsräumen
© Piotr Bialoglowicz
Der Kurator der Ausstellung steht an einem Rednerpult und führt in die Ausstellung ein
© Piotr Bialoglowicz
Der Künstler Janos Frecot trägt, während der Eröffnungsveranstaltung von "Mikrokosmos Westberlin", ein thematisch zur Ausstellung passendes Gedicht vor
© Piotr Bialoglowicz
Momentaufnahme einer Unterhaltung des Kurator der Ausstellung "Mikrokosmos Westberlin" mit dem Blick auf die auf Papier festgehaltene Rede
© Piotr Bialoglowicz
Der Kurator der Ausstellung unterhält sich mit einem in der Ausstellung vertretenden Künstler
© Piotr Bialoglowicz
Der Künstler Gerhard Andrées vor seinem Werk "Transpositionen der Zeit" von 1997, während der Eröffnungsveranstaltung "Mikrokosmos Westberlin"
© Piotr Bialoglowicz
Momentaufnahme der Eröffnungsveranstaltung "Mikrokosmos Westberlin" mit Ausstellungsbesuchern und den Werken von Horst Strempel und Gerda Rotermund im Hintergrund
© Piotr Bialoglowicz
Eine Besucherin der Ausstellung "Mikrokosmos Westberlin" betrachtet eine Vitrine
© Piotr Bialoglowicz
Eine Ausstellungsbesucherin in einem roten Pullover betrachtet die schwarz-weiß Fotografien von Efraim Habermann in der Ausstellung "Mikrokosmos Westberlin"
© Piotr Bialoglowicz