Transformationen

Von der Vielschichtigkeit der Wirklichkeit

Isabel Kerkermeier, Gestalt in höherer Auflösung, 2011, Metall, Lack, Kunststoffleinen, Kupfer, Licht, ca. 180 x 190 x 200 cm, Foto: T. Bock

Werke von
Isabel Kerkermeier | Objekte, modifizierte Werbeplanen
Betina Kuntzsch | Video-Zeichnungen
Marianne Stoll | Relief-Collagen

Ausstellung
25. August bis 27.Oktober 2019

Eröffnung am Sonntag, 25. August 2019, 12 Uhr

Begrüßung
Heike Schmitt-Schmelz | Bezirksstadträtin
Elke von der Lieth | Kulturamt Charlottenburg-Wilmersdorf

Einführung
Christoph Tannert | Künstlerhaus Bethanien Berlin

Der Prozess der Transformation eröffnet neue Perspektiven: In digitalen Video-Zeichnungen konstruiert Betina Kuntzsch eine immaterielle Wirklichkeit aus Bild und Zeit. Die Intention von Isabel Kerkermeier, lineare Strukturen radikal aufzulösen, schließt daran an. Sie löst Dinge auf und kehrt das Innerste nach außen. Aus der Dekonstruktion entstehen auch die Relief-Collagen von Marianne Stoll, die sie aus Fragmenten montiert.

Betina Kuntzsch, RAUMBILD, 2019, Video-Zeichnung, Animation HD, 20 Min. Loop
Marianne Stoll, ohne Titel, 2018, Relief-Collage, 73 x 83 x 3 cm, Papier, Folie, Magazinblatt, Stift, Foto: Betina Kuntzsch

In die schier unverwüstliche Struktur von gebrauchten Werbeplanen greift Isabel Kerkermeier mit äußerster Kraft ein und kehrt dabei das Innere nach außen. Das, was Wind und Wetter an haushohen Fassaden abgehalten hat, wird von der Künstlerin, die in Berlin lebt und arbeitet, zerlegt und ausgeweidet und zu großformatigen Bildwerken gestaltet. Die Reklameaufdrucke fließen ebenso mit in das Werk ein. Die unverwüstlichen Planen erhalten durch das rudimentäre Abschichten, Auftrennen und Zerschneiden als bildgebendes Verfahren ihre lineare Zeichnung und plastische Form.
Bei den Objekten der Künstlerin setzt sich der Gebrauch von Zivilisationsmüll fort: Fragmente von Stahlrohr, Nylongeflecht, Drahtbügel. In der Kommunalen Galerie Berlin verspannt sie ein voluminöses Objekt mit dem Raum im ersten Obergeschoss: Lineare Strukturen – farbig, metallisch treten aus der Wand hervor, so als gebäre der Bau/ die Architektur der neuen Sachlichkeit aus den 1920er Jahren nun endlich seine eigentliche Seele, die sich Jahrzehnte hinter einer der Stahlbetonkonstruktion verborgen hielt.

Betina Kuntzsch beschäftigt sich mit neuesten, medialen Entwicklungen (u.a. Computer-animationen) auf der einen Seite und historischen Materialien (z.B. zerfallende Fotografien oder Filme) auf der anderen. In dem von ihr erfundenen Genre der "Video-Zeichnungen" werden zeichnerische Grundelemente oder dokumentarische Aufnahmen durch analoge und digitale Animationen zu Raumvariationen, die gesellschaftliche Aspekte spiegeln. In der Animation RAUMBILD entstehen aus parallelen Linien räumliche Gebilde. Die großformatige Projektion zeigt Lichtlinien, die sich bewegen, formieren, kreuzen. RAUMBILD ist eine Computeranimation aus der Serie von Video-Zeichnungen, die die Überschneidungen der Medien Zeichnung und Video ausloten. In der Serie von Piezo-Prints UNTER GRUND filmte Betina Kuntzsch in der Berliner U-Bahn. Aus den Sequenzen extrahierte sie Einzelbilder, die Züge und Menschen in Bewegung zeigen. Hinter gelben, durch die Geschwindigkeit der U-Bahn verwischten Flächen, werden Details verschiedener Bahnhöfe sichtbar.

Aufgeschichtete Dekompositionen aus Bildfragmenten lassen die Collagen von Marianne Stoll zu Reliefstrukturen anwachsen. Folien, Fotografien, Zeitausschnitte und überarbeitete Papiere sind dem eigentlichen Kontext entrissen und neu montiert. Aus Fragmenten entsteht ein geschlossenes Gesamtbild. Die Relief-Collagen lassen in den Abgrund von Bilderflut und Überfluss blicken und erinnern an das mehr und mehr ausufernde Umfeld der übervollen Zivilgesellschaft.
Mit den Neuarrangements überführt die Künstlerin Teile aus dem vorhandenen Werk von der Fläche in den Raum. Dieser sichtbare Prozess von Dekonstruktion und Neuarrangement hat eine verblüffende Wirkung und ist auch für Betrachtende eine Herausforderung. Die Relief-Collagen lassen den Entstehungsprozess der in den Vorjahren entstandenen Werke nachempfinden  –  so als könne man diese zahllosen Schichten von Werksegmenten aufblättern und darin nachschlagen, wie in einem Kompendium der künstlerischen Arbeiten von Marianne Stoll. Wir spüren mit ihr den Dingen nach.

Künstlerinnengespräch

Sonntag, 6. Oktober 2019, 12 Uhr
Moderation: Christoph Tannert, Künstlerhaus Bethanien Berlin

Finissage

Sonntag, 27. Oktober 2019, ab 15 Uhr
Die Künstlerinnen sind anwesend.

Kurzfilme von Betina Kuntzsch, anschließend Gespräch:
Schneestaub, D 2019, 7 min
Two-Step, D 1998, 5 min (Musik: Andreas Hoge)
Schleifentage, D 2016, 14 min (Musik: Joachim Gies)
Spielend im Garten, D 2005, 3 min
Fünfzehn Einheitsstücke, D 1991, 3 min

 

Eröffnung der Ausstellung, Foto: Piotr Bialoglowicz
Zur Einführung spricht Christoph Tannert, Künstlerhaus Bethanien, Foto: Piotr Bialoglowicz
Eröffnung der Ausstellung: Elke von der Lieth, Isabel Kerkermeier, Marianne Stoll, Betina, Kuntzsch, Christoph Tannert (v.l.n.r.), Foto: Piotr Bialoglowicz
Eröffnung der Ausstellung, Foto: Piotr Bialoglowicz
Betina Kuntzsch vor dem Werk "Doppel-Universum (Videostill), 2019, Foto: Piotr Bialoglowicz
Eröffnung der Ausstellung, Foto: Piotr Bialoglowicz

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