Vie traverse - querverbunden
Liane Birnberg, Zeichnung
Fried Rosenstock, Installation/Skulptur/Video
Ausstellung
vom 9. November 2022 bis 8. Januar 2023
Finissage am Sonntag, 8. Januar 2023 | 14-17 Uhr
Wohin führen die Spuren des Lebens? Wo finden sich Erinnerungen? Wie lassen sie sich festhalten? Es sind existentielle Fragen, die Liane Birnberg, bildende Künstlerin und Musikerin, im Zusammenspiel mit dem Performance- und Konzeptkünstler Fried Rosenstock – auch stellvertretend für ihre Generation - stellen und nicht zuletzt vor dem Hintergrund ihrer Herkunft und damit verwobener Erfahrungen vor Augen führen.
In den zeichenhaften Strukturen der Papierarbeiten und nuancenreichen Farbräumen der Leinwände von Liane Birnberg klingen durchweg leise Töne an. Mit Intensität und Ausdauer setzt die Künstlerin alchimistische Experimente, Perforationen, Verletzungen, Überschreibungen, feinste Abriebe, Überlagerungen und damit einhergehende Überraschungen ins Bild. Sie spürt kompositorischen wie materialimmanenten Zusammenhängen nach, überführt (Text)fragmente in tastende, lineare Spuren und licht aufscheinende Farbfelder eines schichtenreichen, offenen Werkprozesses, in dem sich Bild und Grund, Skripturales, Zeichenhaftes und Kolorit als gewachsene Einheit verbinden. Es entstehen vielstimmige Bildwelten, Erzählungen voller Geheimnisse, einzigartig und so nicht wiederholbar.
Wiederholung als Ausgangspunkt individueller Betrachtung gefundener und nachgebauter Formen ist grundlegendes Prinzip der „gemini impari“, ungleicher Zwillinge, einer vor Jahren entwickelten und bis heute andauernden Werkreihe von Fried Rosenstock. Mit der Nachbildung oder dem Abbild einer Form, ob detailgenau oder mit vereinfachten Umrissen, in einem ähnlichen Material oder anderen Dimensionen umgesetzt, stellen sich Fragen nach Analogien und Maßstabssprüngen, nach Original oder Modell, Replik oder Kopie, Fragment oder Ganzheit und nicht zuletzt nach Wirklichkeit und Kunst. Mit spielerischem Ernst führt uns der Künstler zur umfassenden Wahrnehmung von Maßstabsverschiebungen, Materialeigenschaften und Abstraktionsprozessen sowie nicht zuletzt zur Kraft der Imagination, die Gleiches in Ähnlichem und vice versa zu erkennen vermag und Fragen nach den umfassenden Zusammenhängen eröffnet, aus dem das singuläre Werk entstand.
So beiläufig, unprätentiös und zurückhaltend die Arbeiten beider Künstler*innen auf den ersten Blick erscheinen mögen, so tiefgreifend sind die Zeitspuren, die sich in ihnen offenbaren. Ob als Auslöser für ein Zwillingswerk bei Fried Rosenstock oder als palimpsestgleiche Frottage bei Liane Birnberg, immer verweist das Fragment oder die Defragmentierung auf ein verlorenes Ganzes, beflügelt die Fantasie genauso wie die Logik und ist Teil umfassender Erinnerungen sowie individueller Erzählungen.
Impressionen der Ausstellungs-Eröffnung
Fotos: Piotr Bialoglowicz